Interview mit Lilja Thordarson

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Lilja Thordarson lebt auf dem Ishof in Grasberg nördlich von Bremen, den sie zusammen mit ihrem Vater Tyri Thordarson leitet. Im Interview spricht sie über das besondere Verhältnis zu ihrem Pferd und ihren gemeinsamen Weg zum Erfolg auf der DIM 2024.

HESTUR: Wie hast du die Turniersaison ´24 mit Hjúpur erlebt? Anscheinend war euer Timing ja genau richtig – und die DIM war dann ein Goldregen für euch…

Lilja Thordarson: Ich muss sagen,  Hjúpur war dieses Jahr sehr früh unglaublich gut drauf. Schon auf Hengste Nord,  und dann bei den Turnieren in Lingen und auf Godemoor hat es in unseren Prüfungen T1 und V1  mit uns beiden super funktioniert. Letztes Jahr im Sommer wurde er schon immer besser. Das konnten wir über den Winter sehr gut festigen.  Und dann war er diese Saison auch von Anfang an leicht, locker und fröhlich, und wir hatten richtig viel Spaß.

HESTUR: Wie hast du die DIM erlebt, was sind deine Eindrücke?

Lilja Thordarson: Ich fand, es war eine sehr schöne Stimmung dort. Die Ovalbahn war für uns zunächst ein bisschen schwierig, weil das Publikum so weit unten sitzt, und Hjúpur hat ein wenig geguckt, was er sonst nie macht. Aber er hat sich schnell daran gewöhnt und zum Finaltag waren wir „full focus“. Ich hatte jedenfalls eine sehr gute Zeit.

HESTUR: Ihr wirkt immer sehr fokussiert zusammen, und auch in den Finalen konntest du alle Aufgabenteile auf den Punkt reiten und so gewinnen  – wie schaffst du es mental, dich und das Pferd zum entscheidenden Zeitpunkt in die Konzentration zu bringen?

Lilja Thordarson: Ich verbringe wirklich sehr viel Zeit mit Hjúpur. Ich gehe zum Beispiel viel mit ihm spazieren, das habe ich auch auf der DIM gemacht. Ich war manchmal im strömenden Regen im Wald unterwegs, und die Leute wundern sich vermutlich, wenn sie uns sehen. Aber ich mache einfach das gleiche, was ich zu Hause auch mache. Ich brauche auf einem Turnier ganz viel Zeit für mich und mein Pferd, und versuche, immer wieder zur Ruhe zu kommen. Deswegen bin ich nicht viel an der Bahn und schaue nur wenig zu. Meine Methode ist, mich trotz der Aufregung zu konzentrieren und sie zu nutzen, um in der Prüfung 100% im Fokus zu sein und dem Pferd zu helfen. Dieses Gefühl ist für mich also nichts Negatives, sondern voll ok.

HESTUR: Wie hast du Hjúpur kennengelernt?

Lilja Thordarson:  Mein Vater hat Hjúpur als vierjähriges Jungpferd ungeritten 2015 auf Island gekauft, und er hat die ganze Grundausbildung gemacht – ich war damals für drei Monate auf Island und habe dort gearbeitet.  Als ich zurückkam, war Hjúpur schon eingeritten. Als ich ihn das erste Mal longiert habe, fand ich ihn schon ganz toll – aber ich hatte nicht viel mit ihm zu tun, außer wenn Tyri unterwegs war und ich ihn bewegt habe. Hjúpurs erste vier Jahre als Reitpferd hat er ihn geritten und ausgebildet, bevor ich ihn Anfang 2020 übernommen habe.  Erst durfte ich Hjúpur ab und zu reiten, und mein Vater hat  sich angeschaut, wie es klappt.  Und dann kam der Tag, an dem er sagte: „Ich will, dass du Hjúpur übernimmst.“ Nachdem ich ihn eine Weile geritten hatte, sagte er: „Jetzt ist er deiner, ich schenke ihn dir.“ Das war etwas sehr Besonderes, und auch eine große Herausforderung, weil ich eigentlich mein Leben lang Fünfgänger geritten bin, oder eher Viergänger, die auch T2 laufen. Aber trotzdem haben wir schnell zusammengefunden.

HESTUR: Und wie trainierst du ihn? Was ist dir generell beim Training von Pferden wichtig?

Lilja Thordarson: Was das Pferd betrifft, ist es mir superwichtig, dass es Spaß hat und gerne mitmacht, und immer frisch ist.  Hjúpur geht sehr viel ins Gelände und er geht oft als Handpferd, das mag er auch sehr gerne.

Es ist für mich sehr schwierig, diese Frage zu beantworten, denn ehrlicherweise trainiere ich ja nicht Hjúpur, sondern ich trainiere mich. Eigentlich arbeiten wir nur an mir.

Ich trainiere viel mit meinem Vater zusammen. Und wir reden auch viel darüber und besprechen, was ich mache, wenn ich alleine bin und so weiter.

Es geht immer darum, dass die Fragen, die ich dem Pferd stelle, konkreter werden und ich die Dinge besser für das Pferd erkläre.  Es ist nicht so, dass wir den Fokus haben, er muss jetzt das und das lernen – so gehen wir das nicht an.

HESTUR: Du siehst es also genau umgekehrt, dass du in die Form kommen musst, damit du aus dem Pferd das Beste  herausholen kannst?

Lilja Thordarson:   Ja – oder vielmehr, ich weiß gar nicht, ob es ein „Herausholen“ ist – es ist eher ein „Helfen“, ihm das zu zeigen, was er kann.

Denn Hjúpur hat ja ganz offensichtlich ziemlich fantastische Gänge. Und es geht darum, dass wir  zusammen in ein tolles Gleichgewicht kommen und auf diese Weise harmonisch zusammen aussehen.  Das liegt hauptsächlich an mir. Natürlich muss er fit und stark sein, Top-Kondition und viel Kraft haben –  das ist keine Frage. Deshalb mache ich auch längere Ausritte, wir gehen gerne in den Wald zusammen.

HESTUR: Was ist das Besondere an Hjúpurs Charakter?

Lilja Thordarson: Alles! (lacht) Er ist schon etwas Besonderes. Er ist extrem klug, leistungsbereit,  und sehr personenbezogen. Er achtet den ganzen Tag auf mich. Ich glaube, die Zuwendung bedeutet ihm viel. Die fordert er schon ein, und ich habe das Gefühl, er möchte im Training sein. Natürlich macht er jetzt im Herbst leichteres Training, aber er  geht nicht ein paar Wochen in Pause. Ich glaube,  das würde er überhaupt nicht verstehen. Er möchte sehr gern Teil von allem und dabei sein. Er denkt mit und orientiert sich sehr stark an mir. Und dadurch ist er auf der Turnierbahn auch nicht anders als zu Hause.

HESTUR: Worauf achtest du bei deinem Reiten am meisten?

Lilja Thordarson: Ich achte gefühlt auf 1000 Dinge. Es ist mir sehr wichtig, dass alles durchgängig verständlich ist für das Pferd. Deshalb sollte man in seiner Hilfengebung immer konsequent sein. Das heißt, eine Sache sollte nicht mal ok und dann wieder nicht ok für das Pferd sein. Denn es muss verstehen können, was ich von ihm will und ich sollte die Geduld haben, es ihm in Ruhe durch meine Hilfen zu erklären. Dafür sollte es dem Reiter gelingen, durchgehend in der Bewegung zu sitzen.

Ich versuche, mir und den Pferden Zeit zu lassen.  Geduld fällt mir nicht so schwer.

An einem Pferd wie Hjúpur merke ich auch sofort, wenn ich an mir selbst Dinge verbessert habe, weil er es so stark widerspiegelt. Wenn ich es also richtig mache, dann macht er es auch richtig.

HESTUR: Ihr habt ja auch eine spezielle Ausstrahlung, wenn ihr in eurem Flow seid.
Denkst du über Erfolge in bestimmten Noten nach, und hast du damit gerechnet, dass dieses Jahr euer Jahr werden könnte?

Lilja Thordarson: Ich denke nicht so sehr in Noten, aber natürlich habe ich einen Bereich, in dem ich gerne sein möchte oder der möglich ist, wenn alles so klappt, wie wir es theoretisch können oder geübt haben.  Ansonsten ist es eher so ein bestimmtes Reitgefühl, was ich mir zu Hause erarbeitet habe. Und wenn es gelingt, das aufs Turnier zu transportieren, wenn es dem Pferd leicht fällt und man zusammen durch seine Prüfung gleitet – ist es megacool!

Der Fokus des Jahres  lag bei mir schon stark auf der DIM  und ich habe deswegen versucht, meine Saison so zu planen, dass wir zu diesem Zeitpunkt in Bestform sein können. Ich weiß ja, dass er da oben mitspielen kann. Aber im Endeffekt ist es dann ein Tag, und fünf Minuten, in denen alles passen muss.

HESTUR: Gibt es noch eine besondere Geschichte oder etwas, was du sagen möchtest?

Lilja Thordarson: Ich hab gar keine besondere Geschichte mit Hjúpur, und es gibt auch nicht das eine Highlight, sondern er schenkt mir 1000 Highlights! Es ist ja keine Frage, dass ein Deutscher Meister Titel richtig cool ist, und dass ich sehr viel Freude auf der DIM hatte. Aber vor allen Dingen fällt es mir sehr leicht, mit diesem Pferd in eine hohe Konzentration zu kommen.  Und dadurch macht Hjúpur mich als Reiterin glücklich, egal ob auf dem Turnier oder im Training. Er hat mein Herz. Er macht jeden Tag schön und ich bin sehr froh,  dass ich ihn habe.